Erfahrungen aus Brandenburger Kommunen zur Umsetzung des § 18a
Auszug aus der Broschüre #machtmal18a - Auswirkungen des 18a auf die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
Herzberg (Elster) ist die Kreisstadt im Westen des Landkreises Elbe-Elster in Brandenburg und bildet eines der drei Mittelzentren des Landkreises. Herzberg liegt in einem von der Schwarzen Elster gebildeten Tiefland voller Bäche und Flüße. Insbesondere nach Westen (zur Elbe) und Süden setzt sich dieses Landschaftsbild fort.
Herzberg (Elster) ist eine kleine Kommune mit rund 8.900 Einwohner*innen und elf Ortsteilen. 18 Stadtverordnete aus CDU, SPD, AfD, „Herzberg zählt“ und LWG. Letztere stellen den größten Anteil im Stadtparlament und gestalten gemeinsam mit dem seit 2018 im Amt befindlichen Bürgermeister Karsten Eule-Prütz die Kommunalpolitik vor Ort.
Foto: Lara Meyne
Lara Meyne ist seit Juni 2020 die in Vollzeit beschäftigte Jugendkoordinatorin der Stadt Herzberg (Elster). Mit ihr und Lena Marie Wurl (13), Nova Brockmeier (13), Lia Lotta Rieck (9), Letti Lehmann (9) und Elea Wagner (12) aus dem Jugendbeirat waren wir im Gespräch.
Kompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg (KiJuBB):
Wow! Zu 100 Prozent für die Jugendkoordination mit Fokus Jugendbeteiligung bei der Stadt angestellt - das erlebt man nicht so häufig. Erzählen Sie uns bitte mehr darüber.
Lara Meyne (LM): Die Stadt hat für sich erkannt, dass sie dringend jemanden brauchen, der die Region für junge Menschen attraktiver macht und entsprechende Angebote gestaltet. Vor meiner Zeit gab es eine sehr engagierte Kommunalpolitikerin, die sich dem Thema verschrieben hat. Sie hat sich zu Kinder- und Jugendbeteiligung durch das Kompetenzzentrum weitergebildet und hier eine Menge in Gang gebracht. Meine Stelle ist die logische und nachhaltige Fortführung ihres Engagements durch die Stadt.
Die Stelle ist in der Verwaltung beim Kulturamt angesiedelt. Meine Aufgabengebiete sind die Begleitung des Jugendbeirates, die Initiation von jugendgerechten Projekten und Aktionen sowie die Gestaltung von Ferienprogrammen. Darin werde ich in Einzelfällen von hier tätigen Lehrer*innen und ansässigen Handwerker*innen unterstützt.
KiJuBB: Das klingt nach einer spannenden Herausforderung für eine Kommune mit knapp 9.000 Einwohner*innen und elf Ortsteilen. Wie hat Frau Meyne es geschafft, Euch in so kurzer Zeit für den Jugendbeirat zu gewinnen?
Lena Marie Wurl: Das hat bereits vor Lara stattgefunden. Es gab ein erstes Treffen im Oktober 2019. Dazu hatten Katharina und der Bürgermeister eingeladen. Da gingen so Zettel an unserer Schule herum und alle, die Lust hatten, in Herzberg was zu machen, waren zu dem Treffen eingeladen.
KiJuBB: Moment, Katharina?
LM: Ja, das ist sozusagen meine Vorgängerin. Katharina hat sich anfangs ehrenamtlich sehr für die Jugend engagiert und mit dem Bürgermeister den Jugendbeirat auf den Weg gebracht. Sie wurde später auch auf Honorarbasis (für wenige Wochenstunden) bei der Stadt für die Kinder- und Jugendbeteiligung angestellt. Die Arbeit dahinter war sicher viel mehr.
KiJuBB: Und wie ging es dann auf dem Treffen zu? Was habt ihr gemacht?
Nova Brockmeier: Es waren Schüler*innen der Grund-, Ober- und Förderschulen sowie des Gymnasiums vor Ort, und wir haben uns so zwei, drei Stunden mit dem Bürgermeister und Katharina darüber ausgetauscht, was wir uns eigentlich wünschen. Also auch was wir uns an Freizeitveranstaltungen für Herzberg vorstellen.
KiJuBB: Das klingt doch schon einmal nach einem guten Auftakt. Wie viele waren denn vor Ort und konnten sich beteiligen?
Lena Marie Wurl: Neben den Erwachsenen, also Katharina, dem Bürgermeister, einem Stadtverordneten, der Hauptamtsleiterin und stellvertretenden Bürgermeisterin sowie der Leiterin des Kulturamtes waren mehr als 20 Kinder und Jugendliche bei dem Treffen vor Ort. Die stellvertretende Bürgermeisterin hat uns ganz viel zu unseren Rechten und dem Beirat erklärt. Das war dann auch das Ziel, auf das wir uns geeinigt haben: Die Gründung eines Jugendbeirates.
KiJuBB: Scheinbar habt ihr dieses Ziel ja sehr schnell umgesetzt. Wie habt ihr das gemacht?
LM: Tatsächlich ging es sehr schnell. Das erste Treffen mit den Jugendlichen fand im Oktober 2019 statt und die Gründung des Beirates dann im März 2020. Das funktionierte nur so gut, weil das Voranbringen der Jugendarbeit in Herzberg bei allen Stadtverordneten oberste Priorität hatte. Zur Gründung des Beirates wurde auch das Budget für den Jugendbeirat durch die Stadtverordnetenversammlung beschlossen. In der Beschlussfassung zum Budget wurde es sogar verdoppelt, von ursprünglich 500 € auf 1000 €.
Elea Wagner: In 2019 gab es noch ein zweites Treffen mit Gregor vom Kompetenzzentrum. Wir haben mit ihm eine Beteiligungswerkstatt gemacht. Es haben zwar weniger Jugendliche als beim ersten Treffen teilgenommen, aber immerhin noch ausreichend. Mit Gregor waren wir 15 Menschen, und der Bürgermeister ist zwischendrin auch vorbeigekommen und hat geschaut, wie es uns so geht und was wir so machen. Wir haben uns an dem gesamten Wochenende mit dem Jugendbeirat beschäftigt und gelernt, wie der Jugendbeirat eigentlich funktioniert. Wir haben sogar ein ganz konkretes Ergebnis an dem Wochenende erarbeitet. Und zwar haben wir uns auf das Datum für die Wahl des Jugendbeirates geeinigt. Die sollte dann am 27.2.2020 stattfinden. Wir mussten noch lernen, wie Wahlen eigentlich funktionieren, und haben uns dann auch schnell darauf geeinigt, dass wir keine Onlinewahlen durchführen wollen. Das hätte jüngere Kinder ohne eigenen Zugang zum Internet eventuell ausgeschlossen. Das wollten wir nicht.
KiJuBB: Und wie verliefen eure Wahlen? Wer hat die Wahlen eigentlich vorbereitet? Das war sicherlich eine sportliche Aufgabe für diesen kurzen Zeitraum. Habt ihr die jüngeren Kinder dann offline auch gut erreicht?
LM: Meine Vorgängerin hat sich in Zusammenarbeit mit der Hauptamtsleiterin Stephanie Kuntze und einigen städtischen Mitarbeiter*innen um die Wahlen gekümmert.
Nova Brockmeier: Wir haben die jüngeren Kinder auf jeden Fall besser erreicht als die Gymnasiast*innen. Die Schüler*innen der Grund-, Förder- und Oberschule haben fast alle gewählt. Hier fanden die Wahlen im Rahmen der Schulzeit statt, und die Schüler*innen wurden von den Lehrer*innen begleitet. Vom Gymnasium haben lediglich 30 Schüler*innen gewählt. Bei der nächsten Wahl sollten wir das auch in den Unterricht legen.
Wir haben neben den Schulen noch eine Wahlurne im Bürgerzentrum aufgestellt, so dass auch die Auszubildenden wählen konnten.
KiJuBB: Wie habt ihr die Kandidat*innen gefunden?
Lena Marie Wurl: Das waren auch die Teilnehmerinnen, die bei der Beteiligungswerkstatt dabei gewesen sind. Die Jungs haben sich für die Mitarbeit im Jugendbeirat nicht interessiert.
KiJuBB: Ihr seid also ein schlagkräftiger weiblicher Jugendbeirat. Was habt ihr bislang für Erfahrungen machen können?
Lia Lotta Rieck: Die Wahlen waren vorbei, wir hatten uns gerade gefunden, und dann kam auch schon Corona.
LM: Und diese Zeit hat auch den Jugendbeirat gelähmt. Da ist dann knapp acht Wochen erst einmal nichts weiter passiert. Alle mussten sich erst einmal orientieren. In diese Zeit fallen dann auch mein Start als Jugendkoordinatorin und die Übergabe zwischen meiner Vorgängerin und mir. Das hat leider nicht ganz so gut geklappt. Sie musste sich ja auch auf ihren beruflichen Weg konzentrieren. Letztlich hat sie ihr Engagement als Nebentätigkeit eben auch „nebenbei“ stemmen müssen. Ich hatte dank Corona dann die Zeit, um mich erst einmal einzulesen und ein Verständnis für mein neues Aufgabenfeld zu entwickeln.
Lena Marie Wurl: Lara hat uns dann Ende Juni zu einem Kennenlernen eingeladen. Da haben wir uns darauf verständigt, wie wir zukünftig arbeiten wollen. Als festen Termin haben wir uns den Donnerstag zu 16 Uhr gesetzt. Zwischendrin schreiben wir über WhatsApp. Bei unseren jüngeren Mitgliedern sind die Eltern in unserer WhatsApp Gruppe, so dass wir niemanden ausschließen.
KiJuBB: Wie ist denn eure Altersspanne?
Nova Brockmeier: Von 9 bis 18 Jahre. Und wir kommen gut miteinander aus.
LM: Ja, mittlerweile wirklich sehr gut. Bei unserem ersten Treffen ist mir ist aufgefallen, dass die Mädchen sich untereinander gar nicht kannten. Da haben wir dann erst einmal einen Kennenlerntag gemacht als es wieder möglich war. Wir sind an einem Samstagnachmittag mit dem Fahrrad los und haben abends gemeinsam gegrillt.
Letti Lehmann: Das war wirklich schön.
KiJuBB: Dass das Teambuilding von Erfolg gekrönt war, das kann ich sehen. Was habt ihr seitdem als Jugendbeirat gemacht?
Nova Brockmeier: Wir sind eine sehr umweltbewusste Gruppe und haben eine Müllsammelaktion im Stadtpark veranstaltet. Außerdem haben wir einen Raum im Bürgerzentrum gestellt bekommen. Den haben wir von unserem jährlichen Budget von 1.000 € eingerichtet. Wir konnten die Fototapete, Stühle und einen Drucker kaufen. Zudem haben wir einen Briefkasten draußen angebracht, damit wir für die Jugendlichen erreichbar sind, die uns nicht persönlich ansprechen wollen oder können. Leider wird der noch nicht so genutzt.
LM: Wir haben über die verschiedenen Kanäle - also die persönliche Ansprache in der Schule, Social Media und die Zeitung - insgesamt 20 Teilnehmer*innen gewonnen. Der Beirat plant nun eine Spendenaktion für ein Tierheim, das hier gebaut werden soll.
KiJuBB: Was würdet ihr/würden Sie sagen, ist eure/Ihre größte Herausforderung, wenn es um Kinder- und Jugendbeteiligung geht?
LM: Die Zusammenarbeit mit den Schulen. Ich habe häufig den Eindruck, dass Informationen nicht richtig bei den Schüler*innen ankommen. Es gab da dieses Theaterprojekt, das ich bei den Klassensprecher*innen beworben habe. Sie sollten das Projekt in die Klassen tragen und zum Mitmachen ermuntern. Da kamen von 12 Klassen ganze zwei Schülerinnen. Und die kamen aus einer Klasse, von der ich die Klassenlehrerin sehr gut kenne. Ich vermute, ohne eine persönliche Beziehung zu den einzelnen Lehrkräften vor Ort wird es nicht gehen, um die Jugendlichen nachhaltig zu erreichen.
Elea Wagner: Die wissen alle vom Jugendbeirat und kommen, obwohl der Donnerstag offen für alle ist, nicht vorbei. Ich glaube, die können sich nicht vorstellen, wie wir kommunizieren, und stellen es sich so vor wie in der Schule, aber so ist es ja gar nicht. Vielleicht müssen wir in die Schulen und dort als Ansprechpartnerinnen unsere Arbeit vorstellen.
KiJuBB: Wie hat sich § 18a auf Kinder- und Jugendbeteiligung in Herzberg (Elster) ausgewirkt?
LM: Gute Frage, auch dank des Engagements von Katharina, ist die Kinder- und Jugendbeteiligung so weit. Sie hat gemeinsam mit der Leiterin des Kulturamts eine Qualifizierung mitgemacht, die im Kontext des 18a durchgeführt wurde.
Lena Marie Wurl: Den 18a hat das Kompetenzzentrum, also Gregor, zu uns gebracht. Vorher kannten wir ihn gar nicht.